Also ich nehm mir mal kurz die Zeit und erläutere mal die Sachlage bei modernen Fahrzeugen bezüglich dem Stand- und Fahrgeräusch, sowohl im Originalzustand, als auch bei Austauschschalldämpfersystemen. Da gibt es ein paar Dinge zu beachten, die mMn. öfter mal einfach ignoriert werden. Auch von sogenannten Prüfexperten, die es eigtl. wirklich besser wissen
müssten.
Falls ich irgendwo etwas nicht so verständlich erklärt habe, einfach nachfragen, dann kann ich dazu noch ergänzen.
Für alle mit wenig Zeit hier erstmal ein TL;DR:
- Bei der Typzulassung des OEM wird geprüft, ob das Fahrgeräusch den vorgeschriebenen Bestimmungen entspricht. Das Fahrgeräusch wird im lautesten Modus gemessen, beim M2c sind das 72 dbA.
- Das Standgeräusch wird daraufhin "ermittelt". Das kann auch 150 dbA sein, ausschlaggebend ist hier die vorangegangene bestandene Fahrgeräuschprüfung. Das Standgeräusch wird im lautesten Modus aufgenommen, ergo Sport+.
- Bei einem Austauschschalldämpfer müssen sowohl Fahrgeräusch als auch Standgeräusch innerhalb einer definierten Toleranz zur originalen Abgasanlage sein, ansonsten wird eine ECE nicht bestanden. Ich kenne keine Anlage, die das aktuell wirklich einhält. Fahrgeräusch ja, Standgeräusch im Sport+ ganz klar nein.
So, rollen wir das jetzt mal etwas auf.
Als Grundlage für die Zulassung von Fahrzeugen in Europa gilt insbesondere im Bereich Lärm- und Abgasemissionen die
ECE-R51.03 resp. die
Verordnung EU #540 - 2014. Hier erstmal nicht vom Datum irritieren lassen, die EU regelt das Ganze mit immer mehr und neuen Anhängen, von denen es in den letzten Jahren leider eine ganze Menge gab.
Daneben gibt es noch ein paar andere, noch gültige Reglemente, welche zuweilen einen gewissen Freiraum für Interpretationen zulassen, eben jene Grauzonen, von welchen die Hersteller reichlich gebrauch machen. Eine davon wäre zB. die
ECE-R59.02.
Fangen wir nun also an, wie wird ein Neufahrzeug in Europa bezüglich Lärmemissionen (Erst-) Zugelassen? Hierzu werfen wir einen Blick in unsere ECE R51.03, wo der Ablauf der verschiedenen Prüfungen beschrieben ist.
- Das Fz. muss für eine erfolgreiche Zulassung einen für das Fz. individuell festgelegten Fahrgeräuschwert einhalten. Dieser Wert ist abhängig vom Leistungsgewicht (PMR = Power to Mass Ratio) des Fahrzeugs und kann aus der Tabelle in Kap. 6.2.2 in der ECE-R51.03 entnommen werden. Selbige Tabelle findet sich auch in der EU#540 im Anhang III (ungefähr S.32) wieder.
Die 3 Phasen bilden hierbei einen zeitlichen Ablauf von immer tiefer werdenden zulässigen Fahrgeräuschen ab. Die Autos müssen also im Laufe der Zeit immer leiser werden. Wir befinden uns aktuell in Phase 2 seit dem 01.07.2018 (als der OPF kam).
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- Anhang anzeigen 41994
- Das PMR vom M2c ist gem. obenstehender Berechnung 188, darf also im Fahrgeräusch 73 dbA haben.
- Als nächstes wird also das Fahrgeräusch des Fz. ermittelt. Hierzu wird ein Messaufbau beschrieben.
- Das Fahrzeug fährt mit konstanten 50 km/h durch diesen Messaufbau. Während zwischen Linie A und Linie B muss das Fahrzeug mit einer zuvor definierten Beschleunigung bewegt werden.
Diese Beschleunigung kann im höchstmöglichen Gang durchgeführt werden, weshalb Fahrzeuge mit mehr Leistung im Verhältnis auch lauter sein dürfen, da sie die Beschleunigung in einem höheren Gang mit weniger Last und Drehzahl erreichen können.
Das Fahrgeräusch muss bei Fahrzeugen mit mehreren Modi immer im lautesten Modus mit den höchsten Geräuschpegeln durchgeführt werden. Der M2c hat diese Messung mit 69 dbA bestanden.
Anhang anzeigen 41993
- Nun wird nach bestandener Fahrgeräuschmessung das Standgeräusch ermittelt. Das Vorgehen hierzu wird ab Kap. 3.2.5 ff beschrieben. Der M2c hat in der Typzulassung hier also ein Standgeräusch von 83 dbA bei 3750 ¹/min. Hier mal die wichtigsten Auszüge vom Ablauf.
Anhang anzeigen 41995 Anhang anzeigen 41996 Anhang anzeigen 42001
Gem. diesen Beschreibungen in den Kapiteln lässt sich jedoch nirgends herauslesen, dass das Fahrgeräusch im lautesten Modus ermittelt werden soll. Bis anhin war es also so, dass der Hersteller den Betriebsmodus selber festlegen konnte. BMW hat hierzu stehts den Modus gewählt, in welchem das Fahrzeug aufstartet.
Allerdings gab es hier in den letzten Jahren ein paar neue Anhänge, wo dann doch noch ein paar Details ergänzt wurden. Im speziellen ist hier der Anhang IX der EU#540 zu erwähnen.
Anhang anzeigen 41997
Dieser Absatz legt fest, dass das Standgeräusch ebenfalls im lautesten Modus festgehalten werden muss. Das wäre erstmal kein Problem, aber wir wissen ja jetzt, dass BMW hier offenbar etwas nicht korrekt durchgeführt hat. Hätte BMW das Standgeräusch im Sport+ festgelegt, so wäre der Wert bei ca. 89 dbA, wir müssen uns aber aktuell mit 83 dbA begnügen.
Wir haben nun also das Fahrgeräusch und Standgeräusch des Fahrzeugs im Originalzustand bei der Typzulassung festgelegt. Jetzt schauen wir uns mal an, welche Vorgaben für Hersteller von Austauschschalldämpferanlagen einzuhalten "hätten".
- Die Zulassung einer solchen Zubehöranlage wird ebenfalls in der EU#540 geregelt und beschrieben. Generell wird hier erstmal wieder das Fahrgeräusch gemessen. Das vorgehen ist dasselbe wie bei der Typzulassung des Gesamtfahrzeuges, die Grenzwerte ebenfalls. Die Anlage vom Hersteller X darf also beim Fahrgeräusch maximal 73 dbA laut sein.
- Zusätzlich zum Fahrgeräusch gibt es aber noch ein paar ergänzende Regeln, welche hauptsächlich mit dem berüchtigten Anhang IX dazugekommen sind.
Anhang anzeigen 41999
Und genau hier liegt der eigentliche Hund begraben. Dieser Absatz schreibt vor, dass die Austauschanlage auch im Standgeräusch (natürlich im lautesten Modus) eine Toleranz zur originalen Abgasanlage haben muss. Eine jede Abgasanlage darf also sowohl beim Fahrgeräusch als auch beim Standgeräusch um nicht mehr als 2 dbA zur Serienanlage abweichen. Die ganzen bisherigen Abgasanlagen haben die Zulassung entweder über die ECE-R51.03 oder die ECE-R59.02 erhalten, bei welchen dieser Zusatz (noch) nicht ergänzt wurde. Es ist hier also eine Grauzone genutzt worden. Hier würde ich mal sagen, wo kein Kläger, da kein Richter, allerdings sind diese Zulassungen im besten Fall Glückssache gewesen.
Wenn ich mir aktuell die neue Generation M3/4 anschaue, so wurden diese nach den selben Grenzwerten abgenommen. Hier jedoch mit dem kleinen aber feinen Unterschied, dass der im Standgeräusch 89 dbA haben darf. Misst man das Auto im Sport+, so hält er die bequem ein mit 88-89 dbA, wohingegen der M2c die 83 im Sport+ niemals schafft. Hier gab es aufgrund der doch vielen Änderungen in den letzten 4 Jahren einige Verwirrung, sowohl bei den Zulassungsbehörden, als auch bei der Polizei.