Wir drehen uns ein wenig im Kreis und mir scheint als würden hier Argumente für Produkte von kleineren Firmen gesucht, die die eigene Auswahl rechtfertigen sollen. Das will ich aber nicht werten. Jeder soll einfüllen was er mag. Ich versuche nur etwas Objektivität reinzubringen.
Fakten zu performance von Produkten kann und darf ich hier nicht veröffentlichen, genau, wie du nicht die genaue Legierung eurer Lager oder irgendwelche Kniffe in Sachen Design oder Fertigung verraten wirst. Darum gehts aber auch nicht.
Ich habe versucht zu beschreiben, auf welcher Basis ein Öl von einem OEM als Erstbefüllung genommen wird. Mein Eindruck ist nämlich der, dass viele denken, der Motoröleinfülldeckel wäre eine Werbefläche, die sogar Coca-Cola kaufen könnte wenn sie nur mehr zahlen würden als alle anderen. Wenn da nun "BMW recommends Castrol" steht, dann heißt das, dass BMW mit Castrol eine technische (!) Kooperation in der Entwicklung von Motorölen gehabt hat. Ein bevorzugter Entwicklungpartner wenn man so will. Als Ergebnis dieser Kooperation steht eine Reihe von Ölen, die BMW freigibt. In letzter Konsequenz taucht dann der Castrol-Hinweis in irgendwelchen Fahrzeghandbüchern oder Öldeckeln auf und das ist eben kein Gag, da technisch UND wirtschaftlich für beide Seiten abgesichert.
Dass sowas mit einem Lieferantenvertrag definiert wird, ist auch klar. BMW zahlt das Öl ja nicht in bar beim Lkw-Fahrer. Trotzdem werden regelmäßige Ausschreibungen und alternative Lieferanten festgelegt, die beispielsweise eine andere Region bekommen. Der eine bekommt Europa, der andere Asien, der dritte den Rest. Macht auch Sinn wenn mal eine Raffinerie von Ölfirma A niederbrennt. Hier brannten einige Additive...
https://www.la-thierache.fr/2019/10...es-produits-agricoles-de-thierache-consignes/
Themenwechsel. Wir sind bekanntlich im BMW-Forum und da kann ich nicht mit der performance eines Shell-Öls dienen aber ich könnte zu anderen OEMs viel sagen und was dort am Besten funktioniert. Werde ich aber nicht. Was ich trotzdem nur wiederholen kann: Entwickelt ein OEM zusammen mit einem Ölhersteller ein Öl für eine neue Motorengeneration, dann sind dort die kleinen Firmen (Fuchs ist in dem Sinne der kleinste der BigBoys) vorerst draußen und warten in der Kälte bis drin der Kuchen verteilt ist. Teilweise ist es sogar so, dass der Einkauf einer Ölfirma nicht mal den technischen Kontakt gibt, mit dem man dann sprechen kann, weil man aus irgendwelchen Gründen diese Ölfirma nicht für qualifiziert genug hält oder der Club halt schon voll ist und die Musik schon spielt. Man scheitert also am Türsteher.
Seit einiger Zeit entwickeln einige europäische OEM zusammen mit verschiedenen Ölherstellern eine neue 0W-12 Spezifikation, die eines Tages in einem neuen 0W-12 Erstbefüllöl münden wird. Meint hier jemand, dass auch nur ein OEM das zusammen mit einer kleinen Bude macht? Niemals. Im Leben nicht.
Heißt das nun automatisch, dass die großen die besseren Öle anbieten, nur, weil sie früher mit den OEMs sprechen dürfen? Ich beantworte das mal so: Sie haben einen Wissens-/Entwicklungsvorsprung, einen finanziellen Vorsprung aufgrund ihrer Größe. Im Getriebeölbereich ist mir mindestens ein Beispiel bekannt, wo ein Ölhersteller, der mit einem Getriebehersteller seit vielen Jahren eine technische Partnerschaft hat, seinem Additivlieferanten quasi untersagt hat die neuste Additivplattform an dritte zu verkaufen. Die Folge: Jegliche Interessenten kriegen die Brötchen von Vorgestern. Die schmecken dann halt etwas hart. So sichert man sich seinen Vorsprung in jeder Hinsicht.
Zu deinen drei Fakten:
Punkt 1: Bestätigt meine Ausführung. Selbst Kaufland kann ein LL-01 Paket bei einer der großen Additivfirmen kaufen, es mischen lassen und sich letztlich gegenüber der Käseabteilung reinstellen. Wir brauchen nicht diskutieren, dass Kaufland andere Stärken hat als die Entwicklung von Motorenölen. Ein gewiss extremes Beispiel aber hilfreich um die Grautöne in dem Thema zu verstehen.
@Maschine
Zu sehr großen Teil sind (vergleichbare) Öle der Hersteller ähnlich bis absolut vergleichbar und die Additivierung ist auch in der Branche in deren Expertenkreisen sehr gut durchdrungen. Lassen wir es einfach mal so stehen...
Punkt 2: Jeder Ölhersteller kennt freilich nur die Performance seiner Produkte am Besten. Es ist aber auch so, dass man chemisch ein Konkurrenzöl auseinandernehmen kann, so wie BMW sich einen Tesla nimmt und diesen auseinander nimmt um zu lernen. Das ist das was Fuchs dir erzählt hat. Sie haben herausgefunden, dass auch der Konkurrent im übertragenden Sinne ein Auto mit vier Rädern, einem Lenkrad, einer Klimaanlage und einem Turbolader baut. Wie diese Teile ausgelegt sind, wie sie zusammen funktionieren, ist unbekannt. Es kann sich also theoretisch um einen Dacia oder einen 911 Turbo S handeln.
Es ist aber auch klar, dass die neuen Spezifikationen (LL-12 und neuer) immer komplexer und schwieriger werden. Entsprechend ist die Anzahl der freigegebenen Öle klein und die Leistungsdichte in diesem Champions-League Bereich klein. Dort ist kein Schrott mehr vorhanden aber wenn wir über eine LL-01/04 reden, dann kann das Leistungsgefälle eben deutlicher ausfallen.
Noch ein Tipp, wie man Produktdatenblatt bzw. eine Produktvorstellung richtig liest und was eben uninteressant ist. Am Beispiel vom
https://www.ravenol.de/produktgruppe/rallye-racing-oele/ravenol-rsp-sae-5w-30/
- Viskosität (Nice to have, denn die technische Freigabe regelt die eh Viskositätsklasse und garantiert damit die Gesamtperformance. Wenn LL-xx gefordert ist, dann ist es mir egal welche Viskosität das Öl hat. Es ist vom OEM freigegeben! Ende.)
- Spezifikationen (Interessant, wobei wichtig wäre auf welche Version der ACEA sich berufen wird, da alle 2-3 Jahre eine Verschärfung der Grenzwerte stattfindet und viele Antragsteller/Ölfirmen noch schnell mal die alte, meist leistungsschwächere Version der ACEA Freigabe beantragen. Diese Zusatzangabe, z.B. 2012 bzw. 2016 nennt aber keiner. Muss man halt googeln)
- Herstellungsart (Ein typisches Argument kleinerer Firmen, die wissen, dass Kunden glauben, dass ein vollsynthetisches Produkt "besser" ist. Clever. Lasst euch sagen, dass die Angabe "Vollsynthetisch" sehr dehnbar ist. Es ist rechtlich genau geregelt, wie viel Massenprozent eines vollsynthetischen Grundöls im Fertigprodukt zugegeben werden muss damit es als "Vollsynthetisch" beworben werden kann und ab wann es "Teilsynthetisch" ist usw. Hier gibt es länderspezifische Abweichungen. Fully Synthetic ist NICHT gleich Vollsynthetisch und heißt nicht 100% PAO/Ester.)
- Empfehlungen (In dem Fall völlig zu ignorieren. Ob ich ein Öl im Schwarzwald gefahren bin oder es Ralf Schumacher oder Boris Becker empfehlen ist völlig irrelevant. Gleichzeitig unterstellt die Internet community den großen Playern ganz gerne Marketing Geschwätz. Aha...)
Der weitere Text bis zur Tabelle mit den physikalischen Daten ist ebenfalls völlig (!) zu ignorieren. Das sind Textbausteine, die ich selbst oft genug Korrektur gelesen habe bevor sie fürs Marketing freigegeben wurden. Das hat exkakt die Aussagekraft eines Horoskops. Ein bisschen was stimmt ja immer. Selbst Sicherheitsdatenblätter werden nicht mit der Genauigkeit erstellt, wie eine Pressemitteilung des RKI.
Die Tabelle mit den Zahlenwerten stammt aus einem sog. Analysenzertifikat. Sie gibt einen Eindruck (mehr nicht), wie ein Öl physikalisch aufgestellt ist. Also etwa die PS, Nm, 0-100, Verbrauch, Gewicht, Unterhalt eines Autos. Reichen euch diese Angaben um ein Auto zu kaufen? Dem einen ja, dem Petrol-Head nicht. Er möchte wissen, wie sich das Auto anfühlt in der Kurve, bei Bremsen, ob man damit driften kann und wie es klingt. Diese Dinge stehen in keinem Produktdatenblatt und in keiner Frischölanalyse der Welt. Ist einach so.
An dieser Stelle sage ich: Fussball ist kein Schach
Bedeutet: Man kann noch so viel über das Öl oder die Taktik reden und wissen, am Ende muss man es aufwändig im Motor testen und dort gelten eben eigene Gesetzesmäßigkeiten. Oft genug kommt eben auch etwas überraschendes heraus. Das System Öl/Motor ist viel zu komplex als dass man es simulieren oder die performance aus einigen wenigen Zahlen vorhersehen könnte. Es ist keine Festigkeitsberechnung von Schrauben. Was glaubt ihr, wie komplex das Klimamodell ist und wie stark es herunter gebrochen werden muss damit man dem letzten Laien mit einem IQ von 88 sagen kann: "Die Temperatur über dir darf nicht über 1,5°C ansteigen sonst sind wir am Ende." Ähnliches passiert in Foren und das ist einfach unzulässig.
Zu den Ölwechselintervallen. Das ist einer der Top 5-Ölmythen, die es da draußen gibt. Ich könnte theoretisch über Motoren mit 200tkm Laufleistung im Taxibetrieb aus einer Region mit schlechtem Kraftstoff, widrigen Betriebsbedingungen und 20tkm Wechselintervall sprechen, die nach 200tkm zerlegt auf dem Tisch ein sehr gutes Bild abgeben inkl. Ölanalysen von km 0 bis km 200.000 in 20tkm Intervallen. Nicht ein Auto, mehrere Autos der Vergleichbarkeit wegen und wenn eines im Betrieb verunfallt usw. Wissenschaftlicher gehts nicht. Härter und näher an der Praxis gehts nicht. Trotzdem laufen da draußen Leute rum, die die Ölfirmen verteufeln, weil sie meinen, diese würden die Gewinne auf komische Art und Weise maximieren wollen, gleichzeitig wechseln sie ihr Öl nach jedem Rennwochenende bzw. nach 5tkm im Schiebebetrieb.