Ich mache das mit dem Wasserstoff in einem MDAX-Konzern ja hauptberuflich und habe jüngst die Vorstandsfreigabe für eben diese Wasserstoffkonzernstrategie bekommen. Das schreibt man mal nicht eben so runter, ohne sich mit dem Thema auseinandergesetzt zu haben
Verbrennungsmotoren:
Das Thema ist m.E. definitiv durch. Investoren, Politiker, Entscheider, etc. finden dafür einfach keine Mehrheiten mehr, die Technologie kann auf keine Agenda mehr einzahlen. Niemand gewinnt mehr eine Wahl, weil er ein neues Verbrennungsmotorenwerk eröffnet hat, nirgendwo rennen dir die Uniabsolventen die Tür für Jobs ein, bei denen es darum geht, den nächsten freisaugenden V8-Verbrennungsmotor zu entwickeln. Da gibt es ein paar (wie ich finde) Verzweifelte wie Deutz, die versuchen, das Thema am Leben zu haben. Aber eher, weil sie nicht wissen, wie sie die Brücke über den Abgrund bauen und nicht, weil sie den Abgrund nicht sehen. Einfach mal den Deutz-Aktienkurs anschauen...
Elektromobilität:
Der Schalter ist umgelegt. Tesla hat das gemacht. Die Marktbegleiter haben nicht an Teslas Erfolg geglaubt und auf den Kollaps gewartet. Der ist nicht eingetreten. Und dann musste es ganz schnell gehen, um nachzuziehen, bevor der Vorsprung Teslas uneinholbar wird. Und sobald man dann als großer Automobil-OEM zweistellige Milliardenbeträge in Akku-Technologie investiert hat, MUSS(!!!) das Thema auch fliegen. Deshalb setzt Volkswagen derart auf Akkutechnologie (und auf nichts anderes). Damit das Narrativ ja nicht verwässert wird. Porsche darf den Sonderweg für synthetische Kraftstoffe ausloten (Pilot-Plant in Chile), weil man die Story, dass es ja so viele Alt-911er gibt, die doch auch in Zukunft noch fahren müssen, gut glauben kann. Aber nichts wäre für Investoren fataler, als wenn Volkswagen hier in einer Art Schlingerkurs geraten würde, was die zukünftige Energietechnologie angeht. Weil dann eben weitere Milliardenbeträge in Wasserstoff, Ammoniak, SynthFuel, etc. fließen müssten. Ist den Investoren nur schwer zu verkaufen. Das Putzige ist, dass ich gar nicht glaube, dass Tesla so erfolgreich ist, weil sie das E-Auto pushen. Tesla ist so erfolgreich, weil Tesla Tesla ist. Eine hoffnungsvolle Zukunftsstory, ein stimmiges Narrativ, ein Get-Shit-Done-Image und (ganz wichtig!) Elon versteht modulare und skalierbare Systeme. Seine Gigafactories gehen bereits in den Produktionsstart, wenn sie gerade mal zu 20% fertiggestellt sind. Letzteres ist der Hauptgrund für Teslas Erfolg. Hätte sich Elon für Wasserstoff entschieden, würden jetzt alle Wasserstoff machen. Man darf nie vergessen: Das Übertragen von Strom (also Elektronen) im Gegensatz zu Gas (Moleküle) ist 10 bis 12 Mal so teuer, was die Infrastruktur angeht. Könnt ihr nachlesen in einem Papier vom deutschen Wasserstoffrat. Also für den Netzausbau, um 1 GW Energie als Strom zu übertragen, könnte man auch 12 GW Energie in Gasform (ie Pipeline) bauen. Das ist DIE Achillesferse sowohl für die E-Mobilität als auch für die Wärmepumpen in den Häusern. Wenn drei Taycans mit 350 kW laden, bleibt das 1 MW-Windrad nebendran einfach mal stehen...
Synthetische Kraftstoffe:
Die Technik ist in Großserie ab Feedstock-Input verfügbar (googelt mal Pearl GTL), sprich Fischer-Tropsch (Erfindung aus dem WK II, als die Deutschen Kohle verwendet haben, um Kraftstoff für die Kriegsmaschinerie herzustellen) und Raffinerie ist off-the-shelve verfügbar. Der Literpreis hängt an den Kosten des Synthesegases, was als Rohmaterial in den Prozess reingeht. Das Synthesegas ist ein Mix aus Wasserstoff und CO(2). Und hier hakt (mal wieder) das Narrativ. "Wenn ich schon Wasserstoff aufwändig herstelle, warum soll ich ihn dann wieder zu SynthFuel machen, wo ich aufgrund von WIrkungsgradverlusten die hinten heraus nutzbare Energiemenge verringere? Dann kann ich doch gleich den Wasserstoff nutzen." Und dagegen lässt sich i.d.R. in der 1. Welt schlecht argumentieren. Es gibt eine Chance, dass synthetische Kraftstoffe doch noch richtig groß werden könnten, aber die verrate ich hier (noch) nicht...
Wasserstoff:
"Eigentlich" spricht nichts dagegen, hier wirklich voll durchzustarten. Die Technologie zur Erzeugung, Speicherung und Nutzung ist zumindest gut genug, um loslegen zu können. Aber (und das hört man mittlerweile auf allen möglichen Tagungen) hängt das Thema auf der Powerpoint-Ebene fest. DIe Wasserstoffverbraucher (also die, die den Wasserstoff benötigen) brauchen CO2-frei erzeugen (z.B. grünen) Wasserstoff. Grauen Wasserstoff zu benutzen, macht keinen Sinn, weil dann kann man auch gleich beim Erdgas bleiben. Wenn der Verbraucher eine Brennstoffzelle ist, dann muss der Wasserstoff auch noch hochrein sein, weil die Membranen in den Stacks so gar keine Verunreinigungen (H2C2, CH4, etc.) mögen. DIe benötigten Mengen an grünem Wasserstoff gibt es aber noch nicht. Selbst in 2030, wo wir ein Jahresvolumen (je nach Quelle) von 130 bis 210 Megatonnen Wasserstoff global haben, sind gerade mal 60 Megatonnen grün und dazu sind schon dreistellige Milliardeninvests in Elektrolyseure erforderlich. Also hakt es beim Ausrollen der Brennstoffzellensysteme. Auf der Herstellungsseite sieht es anders herum aus. Man kann den grünen Wasserstoff zwar herstellen, aber der ist noch so teuer, dass es sich trotz CO2-Besteuerung für die potentiellen Kunden nicht lohnt, diesen zu kaufen. Einer der großen Elektrolyseurhersteller Plug Power ist seit den 90er auf dem Markt und hat NOCH NIE auch nur einen Euro Gewinn gemacht. Der Markt bestraft das gerade, ihr könnt euch ja mal den Kursverlauf von den Wasserstoff-ETFs anschauen (z.B. VanEck Hydrogen Economy). Letztes Jahr alles mega gehypt und jetzt tief abgestürzt. Wasserstoff kommt definitiv und wenn es losgeht, dann so richtig. Aber die (weltweite) Politik muss da massiv und unkompliziert Starthilfe geben, damit diese riesige träge Masse in Schwung gerät.
Und last but not least: ALLES, wirklich alles ist technologisch einfacher als die heutige Verbrennungsmotoren-Logistik, wenn man denn die ganze Kette betrachtet. Bis ein Liter Dinosaft, der Jahrmillionen in der Erde gelegen hat, in meinem M2 mir auf dem Bilster Berg ein Lächeln ins Gesicht zaubert, war über ein Jahrhundert globale Innovation erforderlich. Gedankenexperiment: Wenn man heute auf der grünen Wiese wäre und hätte irgendwo auf der Welt zum ersten Mal Erdöl gefunden, käme niemand auf die Idee, eben dieser Erdöl-Economy mit Verbrennungsmotoren ggü. Wasserstoff oder E-Mobilität den Vorzug zu geben. Der Verbrennungsmotor war halt schon da, als wir auf die Welt gekommen sind. Deshalb kommt uns das so "einfach" vor. Und deshalb fällt es uns so schwer loszulassen. Auch weil wir mit so vielen positiven Emotionen über ein ganzes Leben eben mit dieser Technologie groß geworden sind. Es ist nicht der Klang eines N55 beim Kaltstart, sondern dass, was wir im Kopf damit verbinden. Letztlich aber nur Gehirnchemie. Aber wie in der Liebe fühlt sich die halt sooooooooooooooo gut an...